Muttonen: Europa muss re-industrialisiert werden

Europa muss unabhängig von Finanzmärkten werden, einseitige Sparpolitik beenden und Vermögen stärker besteuern

Wien (OTS/SK) – „Europa erlebt seit vielen Jahren einen Prozess der De-Industrialisierung“, so SPÖ-Europasprecherin Christine Muttonen heute im EU-Hauptausschuss zur Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates. Als warnendes Beispiel führt Muttonen England an: „In Großbritannien ist der Anteil der Industrie immer weiter geschrumpft, während die Finanzindustrie der Londoner City ihren Anteil am BIP immer weiter ausgebaut hat.“ So mache sich Großbritannien mehr und mehr abhängig von seiner Finanzindustrie. „Das hat auch große Auswirkungen auf europäische Entscheidungen wie zum Beispiel für oder gegen eine Finanztransaktionssteuer“, so die Europasprecherin. ****

 

Muttonen fordert eine Trendumkehr der De-Industrialisierung. „Die darf aber nicht auf Kosten der Umwelt gehen. Re-industrialisierung muss selbstverständlich bedeuten, dass wir am Aufbau nachhaltiger, energie- und rohstoffeffizienter Industrien arbeiten“, so Muttonen. In dem Zusammenhang hebt die SPÖ-Europasprecherin die Bedeutung der Binnennachfrage hervor. „Hier krankt es in Europa erheblich: wegen der einseitigen Sparpolitik, wegen fehlender, aber notwendiger Investitionen und wegen einer immer ungleicheren Verteilung des Vermögens“, kritisiert Muttonen Länder wie zum Beispiel Großbritannien, wo die fünf reichsten Familien so viel wie das ärmste Fünftel besitzen – also wie 20 Prozent der britischen Bevölkerung. „Das ist eine Ungerechtigkeit und ein Ungleichgewicht, das dringend behoben werden muss“, so Muttonen. In der Eurozone sei es noch nicht ganz so dramatisch. Hier lauten die Zahlen laut EZB: Fünf Prozent der Haushalte teilen sich bereits 37,2 Prozent des Gesamtvermögens. Die ärmsten 40 Prozent hingegen verfügen grade einmal über drei Prozent des Gesamtvermögens. „Das ist ein großes Problem für die Wirtschaft und steht einer Re-Industrialisierung im Wege, denn Vermögensungleichgewichte bremsen das Wachstum“, betont die SPÖ-Europasprecherin und ergänzt: „Die riesigen Gewinne der wenigen werden hingegen zu einem beachtlichen Teil nicht in die Realwirtschaft investiert, sondern in spekulative Finanzprodukte gesteckt.“

 

Laut Muttonen könne man nur dann eine erfolgreiche Re-Industrialisierung erreichen, wenn Europa sich nicht nur um die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten bemühe, sondern auch mit nachhaltigen Investitionsprogrammen in die Infrastruktur, in Forschung, Entwicklung und in die Bildung investiere.

 

Eine wesentliche Säule dabei ist die Verschiebung der Besteuerung weg von der Arbeit hin zum Vermögen. „Die Politik muss dafür sorgen, dass das Geld wieder in die Realwirtschaft investiert wird und nicht in den Aufbau neuer Spekulationsblasen“, so Muttonen.  Eine weitere wichtige Säule für eine erfolgreiche Re-Industrialisierung sei eine möglichst unabhängige Energieversorgung. „Denn der Klimawandel und die aktuelle Krise in der Ukraine zeigen ganz deutlich: So eine Energieversorgung muss dezentral, möglichst regional und regenerativ organisiert werden – ein zukünftiges Energiesystem muss auf Energieeffizienz und erneuerbarer Energie basieren“, betont die SPÖ-Europasprecherin, die gleichzeitig davor warnt, dass der Ruf nach einer Stärkung und einem Ausbau von Kernkraftwerken in Europa lauter werde. „Hier muss der österreichische Weg als Vorbild für Europa dienen. Ein klares Nein zu Kernkraftwerken und ein Ja zur größeren Unabhängigkeit, auch durch Energieeffizienz“, so Muttonen. (Schluss) bj/rm/mp